Schutzstreifen am JappopwegDa stehen sie nun. Alle aufgereiht hintereinander, die PKW der Anwohner im Jappopweg in Waldenau. Seit Wochen parken sie dort Tag für Tag rechtswidrig in zweiter Reihe mitten auf der Straße. Ein kurzer Blick in die Straßenverkehrsordnung zeigt:
„§ 12 StVO (4) Zum Parken ist der rechte Seitenstreifen (…) zu benutzen (…) sonst ist an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren. (…)“

Am rechten Fahrbahnrand ist nun aber der Schutzstreifen. Dazu heißt es in Anlage 3 (zu § 42 Absatz 2) zu Zeichen 340 (Leitlinie):
„Wer ein Fahrzeug führt, darf auf durch Leitlinien markierten Schutzstreifen für den Radverkehr nicht parken.“ Der durch die Leitlinie markierte Fahrrad-Schutzstreifen ist also Bestandteil der Fahrbahn und links neben dem Schutzstreifen ist damit mitten auf der Fahrbahn. Dort darf man gemäß § 12 jedoch nicht parken.

Eigentlich ganz einfach, oder? Und das gilt in ganz Deutschland, also auch in Pinneberg. Und es funktioniert in ganz Deutschland, leider jedoch nicht in Pinneberg. Hat man die Anwohner nicht aufgeklärt? Kennen sie die Straßenverkehrsordnung nicht? Hmm, da ändert sich ja auch alle paar Jahre einiges. Na, ganz offensichtlich sind die regelmäßigen Verstöße gegen unsere geltenden Gesetze sowohl der Polizei als auch der Stadtverwaltung egal. Wen stört es auch?

Aber doch, es fühlen sich Menschen gestört. Empörte Anwohner beklagen sich über den Lärm der abstoppenden und wieder anfahrenden Fahrzeuge, die um die parkenden PKW herumkurven müssen. Lärmgeplagte Anwohner? Sind es dieselben, die ihre Autos dort ordnungswidrig parken? Bestimmt nicht, das müssen die Nachbarn sein. Ein Schelm, der Böses dabei denkt …

Aber Abhilfe naht in Form fleißiger, jedoch ahnungsloser Politiker, die eine Chance sehen, leichtsinnig geäußerte Wahlversprechen einzulösen. Ein Beschluss muss her, der das Lärmproblem löst. Die naheliegende Idee, die widerrechtlich parkenden Fahrzeuge auf den großen Grundstücken der Anwohner oder dem nur 100 Meter entfernten Parkplatz der Jappophalle abzustellen, wird umgehend verworfen. Das wäre zu einfach. Oder sind die lärmgeplagten, unwissenden Anwohner fußkrank?

Die Beschlussvorlage lautet vielmehr:
„Die Verwaltung wird beauftragt die Fahrradstreifen im Jappopweg wieder entfernen zu lassen …“ Aha! Es sollen also unbeteiligte Dritte herhalten. Die ohnehin ungeliebten Radfahrer. In der Begründung zur Beschlussvorlage wird man noch deutlicher:
„Durch die Politik wurde beschlossen die „Veloroute Waldenau“ auszubauen, (…) Die Erfahrungen am Jappopweg haben gezeigt, dass es durch die Anlegung der Fahrradstreifen zu erhöhter Lärmbelästigung kommt, da fahrende PKWs auf Grund von parkenden Fahrzeugen neben den Fahrradstreifen bei Gegenverkehr immer wieder halten und anfahren müssen. Der vorhandenen konventionelle Rad- und Fußweg hat eine ausreichende Breite, um die Radfahrer dort fahren zu lassen, wenn der vorhandene Bewuchs zurückgeschnitten wird.“

Die Politik hat also nicht die eigentlich störenden und illegal parkenden PKW der Anwohner als Ursache der Lärmbelästigung im Auge. Viel komfortabler für die motorisierten Wähler ist es offensichtlich, wenn sich die Radfahrer den holperigen und gefährlichen Hochbordweg mit den Fußgängern teilen. Dieser Weg genügt - entgegen der Behauptung in der Beschlussvorlage - nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen. Aber wen schert es? In der Gegenrichtung gibt es diesen Hochbordweg gar nicht. Auch egal.

Der Jappopweg ist eine Hauptradroute in den Klövensteen und nach Schenefeld und Hamburg, auf der kombinierte Fuß-/Radwege gemäß gesetzlicher Bestimmungen gar nicht zulässig sind. Wen interessiert das noch? Dass sich die im Weg stehenden Elektrokästen nicht durch Freischneiden beseitigen lassen, verliert sich in der Bedeutungslosigkeit. „Freie Fahrt für freie Bürger!“ Ein Slogan der 1970er Jahre, der in Pinneberg offensichtlich immer noch gilt.

Im Ernst? Wird hier der Wunsch einzelner Anwohner nach öffentlich finanzierten Parkplätzen für die Dritt- und Viertautos direkt vor der Haustür vor die Sicherheit schwächerer Verkehrsteilnehmer gestellt? Wenn man sich die Unterzeichner der Beschlussvorlage anschaut, scheint es unabwendbar. Das Allgemeinwohl wird hier den Individualinteressen Einzelner geopfert. Willkommen in der Demokratie.

Es bleibt zu hoffen, dass die Verwaltung in dieser hitzigen Diskussion einen kühlen Kopf bewahrt und sich nicht vor den Karren spannen lässt, denn wie schreibt der bekannte Verkehrsjurist Dietmar Kettler in seinem Buch „Recht für Radfahrer“:
„Vielfach wird von den Behörden auch übersehen, dass Verkehrsbeschränkungen rein rechtliche Entscheidungen sind, die keiner Mehrheitsentscheidung durch die demokratischen Gremien zugänglich sind.“

Das heißt: Weder Politik noch Verwaltung scheinen sich dessen bewusst zu sein. Die Haftung bleibt auf Seiten der Verwaltung. Sie kann im Schadensfall nicht sagen: „Wir mussten das tun, weil die Ratsversammlung das wollte.“

In diesem Sinne lassen wir uns mal überraschen, was die Feierabendpolitiker entscheiden und wie unsere Verwaltung damit umgeht. Es bleibt spannend.